9/11 — ein schwarzer Tag für die Menschenrechte?

Workshop zum "war on terror" in den Medien


Marie–Theres Tinnefeld, Hochschule München

Medien und damit auch Medienmacher haben die 9/11–Ereignisse immer wieder in Endlosschleifen im Fernsehen gezeigt. Welchen Effekt hat die Dauerwiederholung der Bilder auf die Zuschauer? Werden dadurch die schrecklichen Ereignisse besser verarbeitet? Was hat der politische Konformitätsdruck, den Journalisten besonders zu spüren bekamen, bewirkt? Unterstützt eine eskalierende mediale Betrachtungsweise den "war on terror", den George W. Bush ausgerufen hat. Werden Medien von Regierenden und Terroristen als Mittel der Kriegsführung betrachtet?

Wo Meinungen unterbunden werden, gibt es keine Informationen mehr, sondern nur noch Propaganda. Wo Prävention zur vorherrschenden Logik wird, ist auch der Datenschutz gefährdet. Für den von Geburt an latent verdächtigen Menschen, geht die Unschuldvermutung verloren. Wenn die Entblößung des Menschlichen im Interesse einer vermeintlichen Sicherheit auch rechtlich zulässig wird, dann gibt es keinen Persönlichkeitsschutz mehr. Wenn Menschen außerdem befürchten müssen, dass ihnen aus ihrer Meinungsäußerung Nachteile erwachsen können, selbst wenn es sich nur um die Notwendigkeit ihrer Rechtfertigung handelt, dann werden sie die Äußerungen häufig unterlassen. In einem Klima mit derartigen Befürchtungen wird eine beschränkende Wirkung auf die Meinungsfreiheit ausgeübt (chilling effect).

Die Demokratie ist auf Meinungsfreiheit, verlässliche Informationen bzw. publizistische Leistungen angewiesen. Die Medien üben als public watchdog eine Funktion aus, die eine ausreichende Distanz zu den Kräften und Mächten voraussetzt, die sie kontrollieren sollen. Diese Feststellung führt zur Frage der Selbstkontrolle der Medien. Danach würde es bei den Medien liegen, Standesregeln — Wahrhaftigkeit, Unbestechlichkeit, Respektierung der Intimsphäre usw. — gegen abweichendes journalistisches Fehlverhalten durchzusetzen. Das führt u.a. zur Vorgeschichte des Irak–Krieges. Hier reicht vielleicht ein Hinweis auf den satirischen Film Wag the Dog, um eine Vorstellung von den Potenzialen einer mediengesteuerten Politik zu erhalten. Haben die Medien durch die Form der Berichterstattung den "war on terror" medial (mit)inszeniert und mitzuverantworten?

Eine wirksame Medien–Selbstkontrolle ist auf Standesregeln angewiesen, welche die wirklichen Konflikte aufgreifen, die in der Routine der journalistischen Arbeit beachtet werden können — etwa die Pflicht zur Wahrheit und Aktualität. Der Deutsche Presserat erinnert immer wieder an die "Einhaltung der publizistischen Grundsätze", wie sie im Pressekodex festgehalten sind. Trotz der "verständlichen emotionalen Betroffenheit dürfe die Berichterstattung in Wort und Bild ihre professionelle kritische Distanz nicht verlieren." Das heißt unter dem Dach der Meinungs– und Medienfreiheit, sie solle "Feindbildern keinen Vorschub leisten". Ein, wie es scheint, klarer Satz. Und doch ist er nur Druckerschwärze, wenn er nicht angewendet wird. Hat 9/11 Medienfreiheit verdünnt und das Recht auf Privatheit zerstört?

Die angesprochenen Fragen sollen im workshop gemeinsam erörtert werden. Eine Powerpoint–Präsentation zum Science–Fiction–Film Minority Report soll den gefährlichen "Sprengstoff" einer unkorrekten, unangemessen und sensationellen Berichterstattung untermauern.

Beitrag anstelle des ausgefallenen Workshops: FIfF Kommunikation 1/2009 S. 41—43


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