Informationstechnologien für einen neuen Aktivismus
Ilona Koglin und Marek Rohde, Hamburg Neue Techniken lassen sich ohne Frage für eine Menge fragwürdiger Zwecke einsetzen. Doch sie ermöglichen auch positive Entwicklungen. Ein Paradebeispiel liefert das Internet: Ohne das weltweite Datennetz wären viele zivilgesellschaftlichen Bewegungen für Frieden und Freiheit niemals (in dieser Form) entstanden. Bekannt ist, dass beispielsweise die Bewegung der Globalisierungskritiker sowohl organisatorisch in hohem Maße auf dem Internet fusst, als auch der Austausch von Erfahrungen und Informationen zu einer weltweiten Vernetzung, Kooperation und damit Solidarisierung der verschiedenen Gruppierungen geführt hat. Für Aktivisten, in deren Ländern die klassischen Medien zensiert und ein Engagement für Frieden und Gerechtigkeit nur unter großen, persönlichen Risiken möglich ist, ist das Internet nicht nur ein Mittel, um eine Gegenöffentlichkeit und damit auch eine Solidarisierung unter der Bevölkerung zu erreichen – es spendet ihnen auch persönlichen Schutz, weil eine weltweite Gemeinschaft das Verbleiben der Aktivisten per Web und Handy wesentlich besser verfolgen kann. Doch auch in den demokratisch geprägten Ländern haben neue Kommunikationstechniken zu einer Reihe neuer Möglichkeiten des Aktivismus geführt. Wissens- und Informationsvermittlung ist etwa nicht mehr nur per Text und Bild möglich, sondern auch per Audio und Video – Medien, die im Allgemeinen eine höhere Glaubwürdigkeit und damit Überzeugungskraft haben und so eher geeignet sind, einen Bewusstseinswandel in der breiten Öffentlichkeit zu ermöglichen. Das Web 2.0 hat aber auch zu neuen Vernetzungen und Partnerschaften geführt. So entstanden – nach amerikanischem Vorbild – in Deutschland in den letzten Jahren eine Reihe von wahrlich sozialen Web-2.0-Plattformen, die unter anderem neue Formen des Fundraising, des Protests oder der Mikrofinanzierung ermöglichten. Daneben möchte beispielsweise eine internationale Szene von unabhängigen Spieleherstellern über alternative Konsolen- und PC-Spiele zum Nach- oder gar Umdenken anregen. Auch neue Hardware fördert innovative Ansätze und Entwicklungen, die der Durchsetzung der Menschenrechte dienen sollen. So gibt es beispielsweise Bewegungen, die die Verbreitung von Kommunikationsgeräten wie Laptops und Handies oder – über so genannte 3D-Drucker – die Heimproduktion von Gebrauchsgütern in den so genannten Entwicklungsländern forcieren möchten. Mit eher künstlerisch-experimentellen Ansätzen – etwa im Bereich der Wearables, also der elektronischen Kleidung – möchten Künstler und Aktivisten die Menschen in den Industrieländern dazu bringen, gegebene Strukturen und Verhältnisse zu hinterfragen. Der Vortrag verfolgt anhand zahlreicher Beispiele unterschiedliche Ansätze und Strömungen dieser neuen Aktionsformen. Er versucht damit einen kleinen Überblick über die zahlreichen, weltweiten Auswirkungen zu geben, die neue Kommunikationstechnologien im Hard- und Softwarebereich mit sich bringen. Über die Referenten: Ilona Koglin und Marek Rohde arbeiten seit Jahren als freie Journalisten in Hamburg und engagieren sich in verschiedenen NGOs und Initiativen. Seit Ende 2007 betreiben sie das crossmediale Medienprojekt 'Für eine bessere Welt', zu dem auch der Weblog www.fuereinebesserewelt.info gehört. Kontakt: www.fuereinebesserewelt.info / kontakt(at)marek-rohde.de, ikoglin(at)grauwerte.com Vollständiger Text: FIfF Kommunikation 1/2009 S. 43—49 « Programm |