Von al-Qaida zu @Qaida — IT: Motor der Globalisierung des Djihad

Berndt G. Thamm, Berlin

Im letzten "heißen Krieg" des Kalten Krieges erwuchs am Hindukusch die Basis (arabisch al–Qaida) für eine neue, politisch–religiöse Weltenordnung. Ihre Soldaten — Kämpfer des Glaubens — teilen ihre Feinde nicht politisch bipolar in West und Ost, sondern religiös bipolar in Rechtgläubigkeit und internationale Ungläubigkeit ein. Ihr heiliger Krieg (Djihad) gegen den Unglauben ist ein langer Religionskrieg, zu dem auch die Operation "Heiliger Dienstag" — die Anschläge des 9/11 — gehörte. Mit der Operation Enduring Freedom (OEF) reagieren die Streikräfte des "internationalen Unglaubens" darauf. Angeschlagen durch die OEF tauchten die an Seiten der Taliban kämpfenden al–Qaida–Djihadisten 2001/2002 ab, um in der Folge verstärkt im Cyberspace wieder aufzutauchen — als Bewegung. Nach dem Verlust des "sicheren Hafens" in Afghanistan wurde aus der ursprünglich auch geografisch lokalisierbaren islamistischen Militärorganisation al–Qaida mit Hilfe des WWW eine globale Bewegung des Djihad. Das Internet wurde zur Operationsbasis dieser Bewegung. Das Netz, wo das erstrebte finale Ziel — ein panislamistisches Kalifat — schon virtuelle Realität ist, hat über die Jahre wie kein anderes Medium den Djihad globalisiert. In einem Zeitraum von zehn Jahren (1998 bis 2007) wuchs die Anzahl einschlägiger Websites "mit Djihad–Bezug" von 12 auf über 5800. Ursprünglich diente das Internet mehr der offenen und verdeckten Komunikation und der Verbreitung zielgruppenspezifischer Botschaften. Den Erfordernissen des globalen Djihad angepasst kamen Informationssammlung, Radikalisierung (der Gesinnung), Rekrutierung (auch von Frauen und Kindern), Bildung (Virtuelle Djihad–Universität) und Ausbildung (Online–Universität für Djihadisten), Öffentlichkeitsarbeit und Propaganda, Spendensammlung und Netzwerkarbeit, Mobilisierung und Planung von Operationen sowie eine intensivierte psychologische Kriegsführung hinzu. Der Djihad scheint heute Internet–gesteuert zu sein — doch die Djihad waren es nie und sind es auch heute nicht. Für sie ist das Netz nur Mittel zum Zweck.
Berndt G. Thamm
Interview mit Berndt G. Thamm: FIfF Kommunikation 1/2009 S. 53—56


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