DIE TAGUNG — EIN RÜCKBLICK
Die Jahrestagung 2008 des
Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung
e.V. (FIfF) wurde gemeinsam mit dem
Aachener
Friedenspreis e.V. und den
Interdisziplinären Foren der RWTH Aachen, dem
Forum Technik und Gesellschaft und dem
Forum Informatik, ausgerichtet. Veranstaltungsort war die
Couvenhalle der RWTH Aachen.
Die Tagung wurde mit Grußworten von Dr. Jürgen Linden,
Oberbürgermeister der Stadt Aachen, und Prof. Heather Hofmeister,
Prorektorin der RWTH Aachen, eröffnet.
Jürgen Linden
stellte dabei eine der zentralen Fragen der Tagung in den Mittelpunkt:
Welche Verantwortung tragen Wissenschaft, Politik und Medien für
die Nutzung und Anwendung technischer Innovationen? Er betonte die Rolle
der Medien bei der Friedenssicherung und die Aufgabe der Politik, durch
Regulierung und Gesetze die Werte der Demokratie zu schützen.
Heather Hofmeister richtete den Bilck auf die Wissenschaft und
insbesondere auf die RWTH Aachen, deren Stärke in der
interdisziplinären Diskussion und Lösung von Problemen liege.
Im Rahmen der Exzellenzinitiative gehörten zentrale Fragen wie die
nach den Möglichkeiten der Friedenssicherung zu den Aufgaben des
RWTH–Konzepts "Meeting Global Challenges".

In der ersten Tagungssektion
Kriegstechniken — Techniken des
Krieges am Freitag Nachmittag legten Jürgen Altmann (Dortmund)
und Ralf Rotte (Aachen) aus ihrer jeweiligen fachlichen Sicht den
Grundstein für das Tagungsthema und die Basis für die
folgenden Vorträge.
Als Physiker und Friedensforscher bot
Jürgen Altmann in
seinem Beitrag einen umfangreichen und eindrucksvollen Abriss über
die Geschichte und die aktuellen Trends der IT–unterstützten
Militärtechnik. Er zeigte einerseits auf, dass es eine Tendenz zur
Autonomisierung von Waffensystemen mit den damit verbundenen moralischen
Problemen gebe, betonte aber zugleich, dass durch die Nutzung von
Technik Vertrauen hergestellt werden könne, indem
Abrüstungsanstrengungen technisch unterstützt werden.

Die gesellschaftliche Dimension der technologischen Entwicklungen
rückte der Politikwissenschaftler
Ralf Rotte in den
Mittelpunkt seines Beitrags. Mit dem Begriff
revolution of military
affairs (RMA) beschrieb Rotte zunächst den radikalen Wandel in
der Kriegsführung seit dem Ende des Kalten Krieges, in dem Technik
den Einsatz von Menschen ersetzten soll. Diese Technologiedominanz des
Westens und die zunehmende Asymmetrie in der Kriegsführung von
Staaten und Gruppen auf unterschiedlichem technischem Niveau führe
zu einem Zustand des permanenten zwischen Krieg und Frieden, der eine
neue Art der Unsicherheit hervorrufe. Die Gefahren bestehen, so Rotte,
in einer Militarisierung der Außenpolitik des Westens, der Nutzung
von Technologien als Strategieersatz, sowie einer damit einhergehenden
Entpolitisierung der Gesellschaft, die sich die Frage nach Krieg oder
Frieden nicht mehr stelle. Neben der Technik spielten auch
wirtschaftliche Fragen eine Rolle. Laut Rotte berge die Suggestion einer
Verbilligung eines hochtechnologischen Krieges zusammen mit der
zweifelhaften Verheißung, dass weniger Menschen zu schaden
kämen, eine neue Gefahr, weil die Schwelle zum Kriegseintritt
sinke.

Fortgesetzt wurde die Tagung am Samstag mit einem Vortragsvormittag
über konkrete Anwendungen der IT und deren Nutzen bzw. Missbrauch
sowie einem Arbeitsgruppen–Nachmittag. Eröffnet wurden die
Vorträge vom KI–Wissenschaftler
Noel Sharkey von der
Universität Sheffield, Großbrittanien, mit Albtraum weckenden
Beispielen autonomer, Waffen tragender Roboter eröffnet. In seinem
engagierten Vortrag setzte sich der Experte für Robotik und
professor of public awareness mit der Forderung auseinander,
Kriegsethik in derartige Kampfmaschinen einzubringen. Diese
technologischen Entwicklungen würden militärische Vorteile mit
sich bringen, etwa dass Roboter nicht durch Müdigkeit oder
Emotionen beeinträchtigt werden würden. Jedoch sei
beispielsweise der Anspruch an ethisch handelnde Roboter, wie die
Fähigkeit im Ernstfall zwischen zivilen und militärischen
Zielen oder gar Personen unterscheiden zu können, technisch nicht
realisierbar. Sharkey zeigte in seinem Beitrag die verschiedenen
Diskursebenen KI–Forschung auf, in der auf der einen Seite Roboter
als moralisch Kämpfende gesehen werden, diese Ansprüche auf
der anderen Seite aber technisch unmöglich umsetzbar seien. Es
müsse von Seiten der Forschung verständlich gemacht werden,
dass eine
artificial intelligence von Robotern mindestens
innerhalb der nächsten 50 Jahre nicht an die Intelligenz von
Menschen heran reichen werden. Dies sei jedoch eine zwingende
Voraussetzung, um verantwortungsvoll mit technischen Innovation im
militärischen Bereich umzugehen.

Der Technikhistoriker
Stefan Krebs aus Eindhoven, Niederlande,
brachte die Rolle der Medien in die Diskussion:. Anhand eindruckvoller
Beispiele und theoretischer Exkurse zeigte er die enge Verbindung von
Science–Fiction und Wissenschaft auf. Science–Fiction sei in
erheblichem Maße und auf verschiedenen Ebenen an der Konstruktion
von Robotern beteiligt. So böten besonders
Science–Fiction–Filme Wissenschaftlern Räume zum
Ausprobieren, um Ideen ohne reale Konsequenzen durchdenken zu
können. Über die kritische Diskussion von
Science–Fiction Filmen wirken Filmkritiken wiederum zurück in
den Wissenschaftsdiskurs. So entstehe eine diskursive Arena aus
wissenschaftlichen und nicht–wissenschaftlichen Akteuren, die die
Grenzen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft verschwimmen lassen, wie
auch in Science–Fiction Filmen durch die Bilder die Grenzen
zwischen Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen — was sich wiederum
die öffentliche Akzeptanz auch von Kriegsrobotern unterstützt.
Nicht militärische Nutzung der Informationstechnologie sondern ihr
Einsatz für die zivile Konfliktbewältigung war das Thema von
Christopher Kullenberg, Universität Göteborg, Schweden
und Mitglied des
Resistance Studies Network. Seit dem
Terrorangriff auf das World Trade Center führen gesetzlich
geforderte Überwachungstechniken zu einer zunehmenden

Aushöhlung der individuellen Freiheit und
Persönlichkeitsrechte. Kullenberg argumentiert, dass die
parlamentarische Politik allein nicht zu einer offenen und
demokratischen Diskussion in der Lage ist. Hier muss die
Zivilgesellschaft, oder besser, müssen zivile Gruppen,
Vereinigungen, Verbände aktiv werden. Das Internet mit seiner
Option zu einer globalen Vernetzung ist dafür ein unverzichtbares
Medium. Kullenberg fordert deshalb die Zusammenarbeit von Experten der
Informationstechnik auf privater Ebene mit gesellschaftlichen
Aktivisten, Menschenrechtsorganisationen und Bürgerjournalismus. Er
führt auch ein Beispiel an, wie sich ein solches Zusammenwirken in
eine Kontroverse um die Rolle der schwedischen Behörde für
signal intelligence bewährt hat.
Der Berliner Publizist und Terrorismusexperte
Berndt Georg Thamm
widmete sich der neuen Gefahr des unsymmetrischen Krieges, auf der einen
Seite die traditionell hierarchisch organisierten staatlichen
Militärs und Ordnungskräfte, auf der Gegenseite hochflexible
Terrornetzwerke. Er zeigte am aktuellen Beispiel al–Qaida die
entscheidende Rolle moderner digitaler Kommunikationstechniken für
die Existenz und das Wirken gegenwärtiger Terrororganisationen.
Nicht nur diene das Internet der Propagandaverbreitung, der
Spendensammlung, der Rekrutierung und der terroristischen Ausbildung.
Internet und Mobiltelefonie sind auch hocheffektive Medien für die
Planung und Durchführung terroristischer Operationen —
gleichsam
just–in–time–Technologien für
die Entwicklung dieser neuen Kriegsform. Offen blieb die Frage, wie weit
der Einsatz der digitalen Kommunikationsnetze für aggressive Zwecke
es rechtfertige, dass eben diese Netze für eine staatliche
Überwachung bis in die privatesten Bereiche benutzt werden.

Eine versöhnliche Utopie boten die Hamburger JournalistInnen
Ilona Koglin und
Marek Rohde zum Abschluss der
Vorträge. An vielen Beispielen zeigten sie, dass die
Möglichkeiten, die die Informationstechnologie bietet, nicht nur
fragwürdigen Zwecken dienen. Sie geben Millionen Menschen weltweit
die Möglichkeit, sich für Frieden und Menschenrechte
einzusetzen. Obwohl das Internet zunächst für das Militär
entwickelt wurde, ist es heute ein regelrechter Humus für
Engagierte weltweit. So wurde dieser letzte Vortrag zu einer kleinen
Reise durch die Kontinente dieser Welt, auf der es zu entdecken gab, wie
viele Menschen neue Kommunikationstechnologien
für eine bessere Welt einsetzen.
In der abschließenden Sektion wurden vier
Arbeitsgruppen angeboten.

Der Journalist
Detlef Borchers praktizierte mit den Teilnehmern
seiner AG, das Internet als Plattform für Friedensaktivitäten
und auch für Gewalt provozierende Aktivitäten
zu erkunden. Der Psychologe
Ralf Streibl beschäftigte
sich mit der Darstellung von IT bzw. Informatik im Zusammenhang
mit Krieg in Spielfilmen.
Alex Klein, Wirtschaftsinformatiker
und z.Z. im Studium für Friedens– und Konfliktforschung,
entwickelte in seiner AG das Konzept für ein Informationsportal zu
Rüstungs– und Militärstandorten in Deutschland.
Michael Ahlmann diskutierte mit den Teilnehmern seiner AG
persönliche Konflikte bei der Konfrontation mit
Rüstungsaufgaben im Berufsleben.
Unter dem Titel
"Krieg und Frieden im Werk von Kurt Tucholsky und
Erich Kästner" boten die Kölner Kabarettisten
Hein &
Katzenburg zum Ausklang der Vorträge des ersten Tages ein
Abendprogramm
mit einem Literatur–Kabarett. Sie
stöberten bei beiden Dichtern und stellten zum Thema der Tagung ein
Programm zusammen, das mit scharfsinnigen Pointen gleichermaßen
unterhielt und berührte.
Alle Vorträgen wurden mitgeschnitten und als
Podcasts aufbereitet, siehe Programm.
In Schriftform erscheinen die Vorträge in
Heft 1/2009 der FIfF Kommunikation.
[ Interview zur Tagung mit Prof. Dr. Hans–Jörg Kreowski » ]
Für finanzielle Unterstützung danken die Veranstalter
proRWTH.
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